Nürnberger Mathelehrer erfindet erstaunliche Vierecke
Magie im Quadrat
Schüler und Kollegen staunen — Rekord ohne Aufsehen
NÜRNBERG — Walter Trump ist ein stiller Typ. Der 49-Jährige spricht leise und überlegt. Nur manchmal flackert in seinen großen braunen Augen ein heller Schimmer. Zum Beispiel dann, wenn am Bildschirm seines Computers im Reichelsdorfer Eigenheim eine hübsche Zahlenreihe tanzt. Zehn hoch 10. Zehn hoch 110. 107099. Dass der Studiendirektor für Mathematik und Physik am Gymnasium Stein wutentbrannt das Geodreieck auf den Tisch knallt oder aufmüpfige Schüler niederbrüllt — unvorstellbar.
Walter Trump hat eine andere Methode entdeckt, um seinen Mitmenschen das Fürchten zu lehren. Und das Zweifeln. Das Staunen. Der Mann mit dem borstigen Schnauzer jongliert mit Zahlen und bringt sie in eine „magische“ Verbindung. Quadratisch, praktisch und gruselig — das ist das Ergebnis seiner Rechenkünste, die häufig nur bei der Fangemeinde im Internet Aufsehen erregen. Doch ab und an führt er auch Besuchern oder seinen Unterstufenschülern „kurz vor den Ferien“ vor, dass sich die Zahlen, wie von Geisterhand geführt, auf immer die gleiche Summe addieren lassen . . .
Dafür dass der Tüftler soeben das kleinste „trimagische Quadrat der Welt“ errechnet hat, spendeten ihm weder seine Schüler noch die Nachbarn im Nürnberger Stadtteil Applaus. Doch die Fachwelt war aus dem Häuschen: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, schrieb ihm ein begeisterter taiwanesischer Begründer von Konstruktionsmethoden, und auch Christian Boyer, ehemaliger technischer Direktor der französischen Niederlassung von Microsoft, schickte Lobeshymnen via Internet.
Immer das gleiche Ergebnis
Dabei tut der Lehrer nichts anderes, als Zahlen auszusuchen und sie in einem Quadrat anzuordnen. Doch werden die Zahlen in jeder Reihe, in jeder Spalte und in jeder Diagonale addiert, ergibt sich jeweils immer die gleiche Zahl. Die magische Zahl eben. Zum kleinsten magischen Quadrat, bestehend aus vier Reihen und vier Spalten, („der Ordnung vier“, wie der Mathematiker sagt,) gehört die magische Zahl 34.
Eine „alte Geschichte“ sei das, wiegelt Lehrer Trump ab. Schon der Arzt, Theologe und Magier Agrippa von Nettesheim habe in seinem Buch über okkulte Theorien 1531 magische Quadrate „bis zur Ordnung neun“ aufgezeigt. Und dabei natürlich kräftig mit der Zahl sechs hantiert, die im Okkultismus ein Satanssymbol ist. Auch sein Zeitgenosse Albrecht Dürer hat in seinem Kupferstich „Melencolia I.“ ein kleines magisches Quadrat versteckt. Wer genau hinsieht, der errechne nicht nur in den Reihen, Spalten und über die Diagonalen jeweils die Summe 34, sondern entdecke auch in der untersten Reihe eine „Magie“: aus den Zahlen 4, 15, 14,1 lasse sich das Entstehungsdatum „Mai 1514“ ablesen . . .
Schon zu seinen eigenen Schulzeiten hat Walter Trump solche magischen Quadrate ausgetüftelt und Schablonen gebastelt, die, übers Quadrat gelegt, neue „magische“ Kombinationen ergeben. Später hat er sich mehr dem in den 80er Jahren populär gewordenen Rubik-Würfel zugewandt, der solange in sich gedreht werden muss, bis auf jeder Seite eine durchgängige Farbe zu sehen ist.
Gefallen am Forschen
Erst vor zwei Jahren hat sich der gebürtige Schwabacher wieder mit Zahlenquadraten beschäftigt, als ein Knobelfreund aus Bad Griesbach anfragte, ob die Schablonen auch auf größere Quadrate passen würden. Mittels Computerprogramm forschte Trump nach und fand Gefallen an „trimagischen“ Quadraten. In diesen Fällen müssen auch die Summen der dritten Potenzen in jeder Reihe und jeder Spalte und jeder Diagonale die gleiche Zahl ergeben . . . Der Mathematiker, der eigentlich nichts Magisches an sich hat und auch sonst weder seine Büromöbel im Viereck anordnet noch auf eckige Suppenteller besteht, wie Ehefrau Brunhilde versichert, allenfalls feine Quadrate auf seinen Hemden bevorzugt, liebt die Magie im Kleinen. So setzte er sich zum Ziel, das kleinste trimagische Quadrat zu beweisen. Weniger als 128 Reihen und Spalten musste es haben, wie im Jahr 1905 ausgerechnet, weniger als das mit 64 Reihen von 1933 und weniger als 32, wie 1976 erfunden.
Der Pädagoge stöberte im Internet, bastelte sich ein Computerprogramm, kam auf 107 099 Möglichkeiten für eine erste trimagische Spalte. „Wie eine Schatzsuche“ sei das gewesen, oft habe er nachts um vier eine Idee gehabt und sie ausprobiert.
Im Sommer kam der Durchbruch: Auf seinem Computer baute sich ein trimagisches Quadrat der Ordnung 12 auf. Während per E-Mail die Glückwünsche der Tüftler-Gemeinde eintrudelten, erntete Walter Trump unglaubliches Staunen auf einer anderen Bühne: Zur Verabschiedung des Direktors am Steiner Gymnasium hatte er ein kleines magisches Quadrat entworfen, in dem die Geburtsdaten des Direktors, seine Dienstjahre und andere persönliche Daten eingetragen waren.
Fliesen jagten Schrecken ein
Eine richtige Gänsehaut habe sie bekommen, gestand eine Kollegin hinterher. Und ein Besucher, der sich von Walter Trump alles über die „quadratische Zauberei“ erklären ließ, konnte später sein Badezimmer nicht mehr betreten: Die quadratischen Fliesen jagten ihm Schrecken ein.
Als jüngst ein Rechenkünstler in der Fernsehsendung „Wetten, dass . . .?“ schier unglaubliche Zahlquadrate füllte, da schmunzelte Walter Trump nur. In einer guten Stunde hat er herausgebracht, welche sechsstellige Zahl der Kandidat seiner Vorführung zu Grunde gelegt hatte. Ein Trick? „Nein“, sagt Walter Trump, „man muss rechnen, um die Aufgabe zu erfüllen“.
Mehr über magische Quadrate ist im Internet zu finden: www.multimagie.com, www.magic-squares.de, www.trump.de
VON ELKE GRASSER-REITZNER
29.10.2002 0:00 MEZ
Einige Einzelheiten des Artikels sind nicht richtig. Zum Beispiel:
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